Meisterin der Variation
Erschienen im Mode- und Lifestyle-Magazin ICON
– von Heike Blümner.
KATHARINA HOVMAN entwirft exklusive Mode mit inklusivem Anspruch.
Und das nicht erst, seit der Zeitgeist das chic findet!
Katharina Hovman trägt ihr Herz auf der Zunge. Neulich zum Beispiel schaute sie auf einen Sprung in dem Flagshipstore ihres gleichnamigen Labels in Hamburg-Eppendorf vorbei und traf dort auf eine Kundin. Die erzählte ihr, dass sie ihre Blusen am liebsten zu festlichen Anlässen trage. Was nun wirklich konträr zur gestalterischen Intention der Designerin lief: „Meine Blusen müssen Sie jeden Tag anziehen“, verkündete sie energisch. „Sie sind zu teuer nur für gut. Sie sind absolut alltagstauglich und nicht empfindlich."
Katharina Hovman, das wird beim Besuch in ihrem Hamburger Atelier klar, entwirft mehr als nur Kleidung. Ihr Name steht für ein Konzept, das sie selbst bis ins Kleinste steuert. Jeder neue Ballen Stoff landet zunächst auf ihrem Tisch. Nicht irgendein Stoff – TAFFETA nennt sich das Material: ein spezieller, hochwertiger Mikrotaft, pflegeleicht und langlebig. Nach dem Waschen trocknet er in Windeseile – bügeln verboten! „Hält die Farbe, was sie verspricht?“ Sollte die Chefin Zweifel haben, fertigen Näherinnen vor Ort umgehend ein Musterstück an. Nuancen entscheiden. Alles baut aufeinander auf: „Es muss mindestens so gut sein wie in der Vorgänger-Saison und gleichzeitig nach vorn weisen.“
Für dieses Unterfangen braucht es treue Verbündete. Nicht nur bei den Mitarbeitern und Zulieferern – auch bei den Produkten. Da wären vor allem die auf den ersten Blick schlichten Blusen, die TAFFETAS. Sie sind das Herzstück der Marke. Bei den Details wie Kragen oder Manschetten erscheinen sie stets in saisonal neuen Varianten. Um sie herum gruppiert sich eine ansehnliche Kollektion aus Hosen, Mänteln, Kleidern und Pullovern – allesamt lässig, mit unterschwelliger Raffinesse.Die Kunst von Katharina Hovman liegt auch im Einsatz monochromer Farben. Schwarz, Weiß und Dunkelblau gehören zum Standard, bei allen weiteren Farben verlässt sich die Designerin auf ihre Erfahrung und Intuition. Sie ist Meisterin in Varianten von Schlammgrün und auch knalligem Orange. Zudem ist sie ihre eigene, beste Markenbotschafterin. Die Art, wie sie selbst ihre Kleidung kombiniert – und zwar nicht nur „für gut“ –, ist für viele Kundinnen eine Inspiration: „Oft kriege ich das Feedback: ,Ich mach das jetzt auch so wie Sie.‘“ Die Blusen setzt sie als gezielten Akzent ein. Mal peppen sie eine Jeans auf, mal nehmen sie sich zurück und setzen ein auffälliges Designerstück in Szene. Ihr Erfolg, so Katharina Hovman, basiere auch darauf, dass ihre Entwürfe so gut mit vielen großen Designermarken harmonieren. Sie wetteifern nicht um die Aufmerksamkeit des Betrachters und sind doch alles andere als neutral. Inzwischen ist sie stolz auf die breiten Adaptionsmöglichkeiten ihrer Entwürfe. Für die modische Rundum-Vision hat sie ihren eigenen Laden.
Bereits 1992 gründete Katharina Hovman ihr Label. Es ist eine deutsche Mode-Erfolgsgeschichte, in einem Land, das auf diesem Gebiet nur wenige Vorbilder hat – gerade wenn es um unabhängige, vom Designer geführte Unternehmen geht, die zudem noch internationalen Erfolg haben. „Ich werde oft mit Jil Sander verglichen, aber ich bin greifbarer, es gibt weniger Distanz zwischen meiner Arbeit und den Kundinnen.“
Katharina Hovman entwirft inklusiver: Kleine, große, dünne, rundliche Körper – in ihrem Onlineshop spricht sie Empfehlungen aus, welche ihrer Blusen am besten zu welcher Körperform passen. Größe 34 bis 46 ist bei ihr Standard, manchmal auch darüber hinaus. Die Modelle werden nicht einfach nur vergrößert, sondern den speziellen Bedürfnissen variierender Silhouetten angepasst. „Nicht zu hüllig“ soll ihre Mode sein. „Es geht immer darum, dass man sich darin wohlfühlt.“ Die Kundinnen danken ihr diese Aufmerksamkeit, die konzeptionell aufwendig ist und sich heute kaum noch jemand leistet.
Ihr Laden in Hamburg ist zu einer Pilgerstätte für Fans vornehmlich aus Deutschland und der Schweiz geworden, die sich das volle Marken-Erlebnis gönnen wollen: Die TAFFETAS, na klar, aber auch die schlichten Hosen oder die leichten Daunenjacken, bei denen es keine Kammern mehr braucht.
Ihr Mut zur Lücke, der sich über die Jahre zu einer ansehnlichen Nische ausgewachsen hat, rührt laut der Designerin auch aus ihrer Jugend. Geboren und aufgewachsen in der Hansestadt, zog es die Eltern in den 70er-Jahren raus aus Deutschland. Zwei Jahre verbrachte die Familie in Brasilien, von dort fuhren sie mit dem Bulli bis nach Nordamerika. „Volles Abenteuer“ ist ein Gefühl, das bei der Designerin bis heute nachklingt. Und auch die Farben Brasiliens haben Eindruck bei ihr hinterlassen. Die Erfahrungen von damals hätten sie geprägt, erzählt sie.
Im Anschluss brachte sie diese Erlebnisse durch ein Modestudium gewissermaßen in Form. Mit den zwangsläufigen Unwägbarkeiten im Laufe einer kreativen Karriere, denen auch sie ins Auge geblickt hat, konnte sie gut umgehen. Unkonventionalität, die sich zur Stärke auswächst, ist ihre Spezialität. Das ließe sich auch über das Material ihrer Taffeta-Blusen sagen: Die Eigenschaften des speziellen Mikrotafts sind unique: Die Trägerin kann das Kleidungsstück nach ihrem Geschmack modellieren, eine Manschette umklappen, einen Ärmel raffen oder den Kragen hochstellen. Bedenken was die Nachhaltigkeit des Materials angeht? „Es ist der Rolls-Royce unter den Polyester- Taften“, so Katharina Hovman. Eine kleine, „geheime“ Manufaktur am Comer See fertigt den federleichten Stoff, der so gewebt wird, dass er atmungsaktiv ist „wie Seide“. Er ist jedoch ganz normal waschbar. Auch alle weiteren Komponenten ihrer Kollektion werden ausschließlich in Europa gefertigt. Nachhaltigkeit hat viele Aspekte.
Als sie einmal ihre Kundinnen bat, getragene Blusen zur Wiederverwertung des Stoffes an sie zurückzuschicken, gab es ein Problem: Es kamen keine. „Sie halten ewig. Die Kundinnen tragen sie jahrelang und geben sie dann weiter oder in die Vintage-Boutique.“ Es geht eben nicht nur beim Entwerfen von Mode um das Gesamtbild.
Wer weiß das besser als KATHARINA HOVMAN.